Kliniken des Kreises vor dem Kollaps ?

Kommentar von Kreisrat Dr. Andreas Marg

Im Rahmen einer koordinierten Aktion der baden-württembergischen Landkreise mit einer gemeinsamen Presseerklärung von Landkreistag, Städtetag und BWKG machte auch Landrat Stefan Dallinger auf die prekäre Lage der GRN Kliniken aufmerksam.

Quellen:

  • 26.07.2024 Pressemitteilung von Landkreistag, Städtetag und BW Krankenhausgesellschaft
  • 27.07.2024 Bericht in der RNZ zur Pressemitteilung vom 26.7. mit den Landräten und Stellungnahmen der Fraktionen im Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises
  • 29.07.2024 Pressekonferenz für den Rhein-Neckar-Kreis (RNK) und den Neckar-Odenwaldkreis (NOK) (Pressemitteilung und Aufzeichnung)
  • 30.07.2024 Bericht in der RNZ zur Pressekonferenz vom 29.7 von den Landräten

Kreisrat Dr. Andreas Marg (Bündnis 90/Die Grünen) nimmt Stellung zu der Situation und bewertet die Aussagen der Fraktionen

Geteilt wird über alle Fraktionen hinweg die Haltung, dass die Defizite der
kommunalen Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen die Kommunen
überfordern und die KH Finanzierungsreform überfällig ist.


Zur CDU: Eine „kalte Marktbereinigung der Krankenhauslandschaft“ läuft
tatsächlich schon länger, denn eine Reform des DRG-Systems ist seit 20 Jahren
überfällig. Das ist Verantwortung von CDU-geführten Ministerien. Die DRG wurden
2003 unter der SPD-Ministerin Ulla Schmidt eingeführt (vorbereitet unter der
Grünen-Ministerin Andrea Fischer), und verbunden mit der Ansage einer Evaluation
und Reformierung nach max. 10 Jahren. Es sind über 20 daraus geworden.
Ob die Forderung nach einem Vorschaltgesetz zielführend ist, weiß ich nicht.
Manne Lucha tritt mW für eine kurzfristige Anpassung der Landesbasisfallwerte ein,
das sei ausreichend um die Unterfinanzierung der laufenden Kosten zu bewältigen.
So hatte ich auch andere Krankenhausträger aus der Metropolregion gehört. Die
letzte Anpassung zum 1. Januar 2024 war nach nachvollziehbarer Aussage der
Landräte unzureichend. Als Stichtag für eine weitere Anpassung war der Juni 2024
angekündigt. (DÄB 24.11.23: „Die Bundesregierung will die Landesbasisfallwerte
möglichst ab 1. Juli 2024, spätestens aber ab dem 1. Januar 2025 anpassen. Das
geht aus einer Protokollerklärung der Bundesregierung zum
Krankenhaustransparenzgesetz hervor.“)


Die Landesförderung für Investitionen mag nicht hinreichend sein, sie ist aber seit
2010 nach den Zeiten der CDU Regierung schon deutlich gesteigert worden und
mW im Bundesschnitt führend. Das erkennt der Landkreistag (anders als die CDU
Fraktion im Kreis) auch an.


Zu den FW: die haben gut reden, sie sind in keiner Regierung verantwortlich.
Verfehlte Gesundheitspolitik „die eine auskömmliche Vergütung der Leistungen
verweigert“ beschreibt jahrzehntelangen Stillstand in der Gesundheitspolitik. Die
Aussage „Alle gesetzlichen Auflagen, bürokratischen Belastungen und bestehende
Rahmenbedingungen (müssen) politisch geprüft werden“ ist riskant und sie
machen es sich zu leicht, betriebswirtschaftlich arbeitende Kliniken auf eine
volkswirtschaftlich notwendige – vom Kreis im Sinne der Daseinsvorsorge zu
verantwortende – Versorgung von Bürgern auszurichten.


Zur SPD: Mit ihrer Anprangerung der Länder macht sie es sich zu leicht. Mit der
Klageandrohung der Länder würden diese „die unumstritten guten Inhalte der
Reform“ verhindern. Brötel weist zurecht darauf hin, dass Lauterbach mit seinem
Vorgehen im Reformprozess alle Länder gegen sich aufgebracht hat. Einig sind sich
alle, dass Lauterbach alle Versprechen einer Kooperation von Bund und Land im
Reformprozess gebrochen hat und die Reform im Alleingang und mit als unlauter
angesehenen Methoden (als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz mit Auslagerung
entscheidender Themen aus dem Gesetz in Verordnungen) durchzieht. Die
Klagegründe der Länder erlebe ich als als unterschiedlich, während Bayern noch
kaum vorangekommen ist mit einer nachhaltigen Strukturierung der KH Landschaft
ist NRW mit seiner extrem hohen Bettendichte recht weit im Prozess einer neu
ausgestalteten KH Planung. BW hat bereits eine der niedrigsten Bettendichten pro
EW in Deutschland. Hier warnen die Landräte nun, dass die Reform in ihrer
derzeitigen Ausgestaltung BW genauso belasten würde wie die anderen Länder und
damit die bereits erreichten Ergebnisse zunichte mache. Der Vergleich der
Landräte, dass der RNK sogar nur 196 Betten/100T EW habe vs >500/ 100T im
Bundesvergleich ist aber mit Vorsicht zu sehen, denn da spielen HD und MA, ja
sogar Speyer, auch eine gewichtige Rolle.


Die Formulierung, dass vom Land genehmigte Investitionen vom Land nur
halbherzig mitfinanziert würden, erschließt sich mir nicht recht. Aber eine Kritik an
der Landespolitik ist ja von der SPD als Opposition zu erwarten.


Zur FDP: Interessant die auf Klimaschutz fokussierende Stellungnahme. Die
Warnung vor Zerstörung der Geburtshilfen können wir nur teilen. Frau Elbs weist in
der PK mit Bedauern auf das Schließen der Geburtshilfe in Eberbach hin.
Hier sollen die geplanten Vorhaltepauschalen von 60% der KHKosten ein wichtiges
Instrument sein, auf deren Ausgestaltung wird es ankommen. Die Landräte sehen
das Ziel einer Entökonomisierung des Klinikwesens durch Vorhaltepauschalen als
richtig an. Sie kritisieren nachvollziehbar, dass die Vorhaltepauschale derzeit aus
den erbrachten DRG-Leistungen kalkuliert werden sollen. Dies stärke nur
fallzahlstarke KH und benachteilige damit die GRN-KH. Dass hier besteht noch
Nachbesserungsbedarf, kritisieren zB auch die Kassen. BW, Manne Lucha, fordert
wie auch Kassen und andere, die Vorhaltepauschale populationsbezogen
(Demografie, Krankheitslast, …) auszugestalten, also am Bedarf der Bevölkerung an
medizinischer Versorgung. Dem verweigert sich Lauterbach derzeit, warum auch
immer.


Linke: Der Ansatz, Krankenhäuser völlig von der betriebswirtschaftlichen Logik zu
befreien ist nicht realistisch. Aber richtig ist, dass die Reform ihrem Ziel gerecht
werden muss, die medizinische Logik in der Vordergrund zu stellen. Dem sollen die
Vorhaltepauschalen dienen (s.o.).


Das Ziel einer abgestimmten regionalen Planung mit kooperierenden (statt
konkurrierenden) Gesundheitseinrichtungen kann man unbedingt teilen. Das GVSG
(Gesundheits-Versorgungs-Struktur-Gesetz) mit dem Ansatz der
Gesundheitsregionen hatte Ansätze dafür enthalten. Diese waren im
Kabinettsbeschluss herausgekippt worden – sie waren offenbar mit der FDP nicht
machbar. Aber mit der Ankündigung, dass sie in der parlamentarischen Beratung –
die derzeit läuft – wieder hineingearbeitet werden sollen.


Die Pressekonferenz der Landräte bot neben den bereits oben erwähnten Punkten
viele andere interessante Einblicke in den Stand der Diskussion. Die Landräte
zeigen sich als sehr gut informiert. Brötel schießt aber an einigen Punkten weit
über das Ziel hinaus und mE auch weit daneben.


Sehr wichtig sein Hinweis auf die sehr unterschiedlichen Patientenprofile im
Landkreis mit ihrem Schwerpunkt auf älteren vulnerablen Patienten, die eine
chirurgische und internistische Basisversorgung mit höherem personellen Einsatz
und oft längeren Liegezeiten benötigen. Er unterschlägt dabei, dass das Konzept
der Level 1i Kliniken genau hier eine Option öffnen soll, diese Versorgung in einer
pflegerisch-ärztlichen Kooperation neu zu strukturieren.


Brötel sucht die Telemedizin als Lösungsansatz lächerlich zu machen. Er
unterschlägt deren Bedeutung bei der Betreuung eben dieses Patientenklientels,
für die man bei speziellen Fragestellungen spezialisierte Kompetenz
telemedizinisch zuschalten kann.


Die Landräte weisen zurecht auf die Unterfinanzierung der Notfallaufnahme hin.
Sie unterlassen den Hinweis, dass auch die Reform der Notfallversorgung derzeit in
Kabinett und Bundestag ist.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/240500/Notfallversorgung-Reform-soll-fuer-
deutliche-Entlastung-sorgen


Zum Thema der Fusion der Uni-kliniken Mannheim und Heidelberg führen Dallinger und Elbs aus, dass das Verbot des Kartellamts nicht zuletzt auf einer Abfrage bei allen (>30) Kliniken in der
Metropolregion erfolgt sei. Entscheidungsrelevant sei da auch, dass HD mit seinem
Einsteigen in Heppenheim und im Salem jüngst in dem Marktsegment der GRN
Kliniken etc zu einem aktiven Teilnehmer bzw. Konkurrenten geworden ist und die
Grund- und Regelversorgung dort steuere.

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