Windenergie in Angelbachtal: Hier würde jetzt mal alles passen, oder?

Ortstermin auf dem Hohberg über Angelbachtal. Hier könnte einer der ersten Windenergiestandorte in der Region entstehen. Über die Felder auf dem Höhenzug strömt der Wind ungehindert von Westen heran, asphaltierte Wege ziehen sich auf das Gelände hoch und würden für den Antransport der Anlagen zur Verfügung stehen. Der Abstand zur Wohnbebauung ist mehr als üppig.

Beim Termin vor Ort konnten sich Vertreter der Grünen Kreistagsfraktion Rhein-Neckar und des Arbeitskreises Windenergie der regionalen Grünen ein Bild von der Lage machen. Beide Gruppen setzen sich nachdrücklich für einen Ausbau der Nutzung der heimischen Energien ein. Bei dem fraglichen Gebiet haben sich ca. 20 Privatleute, die zum Teil auf dem Höhenzug Landwirtschaft betreiben, hinter der Idee eines Windparks versammelt und auch bereits einen möglichen Partner für die Umsetzung gefunden.

Rhein-Neckar: Diaspora bei den Erneuerbaren Energien

Aber bislang hat es gerade die Windenergie im gesamten Rhein-Neckar-Kreis eher schwer: Bei jedem möglichen Projekt fanden sich bislang vermeintliche Gründe dagegen. Und so ist derzeit im Rhein-Neckar-Kreis noch nicht eine einzige derartige Anlage in Betrieb. Die Region verbleibt bisher auf den Zuschauerrängen und verlässt sich bei dem Ausbau der Erneuerbaren Energien bislang auf die Nachbarn, etwa im weit vorangeschrittenen Neckar-Odenwald-Kreis.

Hier über Angelbachtal könnte nun aber endlich einmal alles passen, oder nicht? Doch leider ist es wieder nicht so einfach: Die örtlichen Gegebenheiten würden ein Windprojekt zwar geeignet erscheinen lassen, aber die Angelbachtaler Lokalpolitik hat andere Pläne. Dort favorisiert man ein tiefergelegenes und daher weniger windhöffiges und zudem bewaldetes Gebiet, in dem außerdem bislang kaum geeignete Zuwegungen existieren. Den Acker oben will man nicht nutzen, aber den Wald unten schon? Gerne hätten die Anwesenden erfahren, woran es denn hängt. Doch der auserkorene Windprojektierer ließ sich entschuldigen und möchte zunächst die Entscheidung der Verbandsversammlung Rhein-Neckar abwarten, die gerade die Fertigstellung des maßgeblichen Teilregionalplans Wind vorbereitet. Auch der eingeladene Angelbachtaler Bürgermeister Frank Werner (CDU) hatte mit Verweis auf das laufende Verfahren freundlich abgesagt.

Fazit der Gemeinde: Hier nicht!

Nachlesen kann man die Haltung der Gemeindeverwaltung Angelbachtal dennoch. Bei einer Bürgerversammlung am 25.4.2024 hatte die Gemeinde die Anwesenden über die verschiedenen Optionen informiert (Die Präsentation https://www.angelbachtal.de/fileadmin/user_upload/Praesentation_Einwohnerversammlung-25-04-2024.pdf/ auf den Seiten des Angelbachtaler Rathauses und eine Dokumentation des Abends bei Kraichgau Lokal: https://kraichgaulokal.de/windkraftanlagen-zur-zeit-in-aller-munde-so-auch-in-angelbachtal-gestern-abend/ ). Die Gemeinde macht dort unmissverständlich klar: „Ablehnung eines möglichen [Windenergie-]Vorrangebietes am Hohberg!“ Als ein Argument wird unter anderem die drohende „Überforderung“ durch ähnliche Projekte im Umkreis angeführt.  Doch alle dort gelisteten Projekte sind ebenfalls bislang nur Planungen im derzeit wie beschrieben völlig windenergiefreien Rhein-Neckar-Kreis. Zudem sind einige der dort angeführten Projekte wie z.B. in Mühlhausen inzwischen auch schon wieder beerdigt. Die vorgebrachten Argumente gegen die Felder in der Höhe über Angelbachtal („Naherholungsgebiet“, „Fledermäuse“) jedenfalls scheinen eher auf das von der Gemeinde favorisierte Waldgebiet zuzutreffen, als auf die Weizenfelder auf dem Hohberg. Auch „Lärm“ würde, so befürchtet man im Rathaus, zwar vom Hohberg aus in den Ort ziehen, nicht jedoch von den alternativ favorisierten und teils näher gelegenen Waldstandorten. Überhaupt reibt man sich die Augen, wenn man die Begründungen näher betrachtet, mit denen das Angelbachtaler Rathaus für die Errichtung von Windenergieanlagen im Wald plädiert: Man bekenne sich zur Windenergie als Energiequelle. Ohne Klimaschutz werde auch der Wald nicht überleben. Geschützte Arten? Es gebe im Land Baden-Württemberg bereits zahlreiche Anlagen in FFH-Gebieten (Flora-Fauna-Habitat), bei denen der Schutzzweck dadurch nicht gefährdet werde. Alles im Grunde zutreffende Aussagen, die so auch von den flammendsten Verfechtern eines raschen Windenergieausbaus kommen könnten. Und doch erfüllen diese Argumente in diesem speziellen Fall zunächst die Funktion, die Waldstandorte als möglichen Windstandort gegen die freien Flächen auf dem Höhenzug ins rechte Licht zu rücken. 

Das liebe Geld

Denn wie so oft dreht sich vielleicht auch hier alles zuallererst ums Geld: Unter den Argumenten der Gemeinde Angelbachtal findet sich denn auch die Aussage, bei einem Projekt auf den Feldern am Hohberg gehe „der Erlös an wenige private Grundstückseigentümer“. Das ist zutreffend für den Posten der zu erwartenden Pachteinnahmen, lässt jedoch außer Acht, dass die Gemeinde und damit die Allgemeinheit auch über Gewerbesteuereinnahmen sowie die im EEG vorgesehene Abgabe auf die erzeugte Strommenge so oder so massiv von einem Windenergieprojekt profitieren würde: Pro Anlage kommen auch auf diese Weise rasch mehrere zehntausend Euro zusammen und fließen in die Gemeindekassen.

StandortoptionenGewerbesteuerEEG Erlöse (0,2ct/kWh) Pachteinnahmen
Wald (gemeindeeigen)GemeindeGemeindeGemeinde
HohbergGemeindeGemeindeGrundstückseigentümer
Die Tabelle ordnet die wichtigsten Erlösquellen für die verschiedenen Optionen
den jeweiligen Empfängern zu.

Entweder oder? Oder besser sowohl alsauch?

Wald oder Feld als Windstandort, das scheint die Ausgangslage in Angelbachtal derzeit zu sein. „Wieso eigentlich oder? Warum nicht beide Alternativen verfolgen?“, fragten sich die Teilnehmer am Ortstermin der Grünen Kreistagsfraktion. „In den Erneuerbaren Energien liegt die Lösung für mehrere Großprobleme unserer Zeit gleichzeitig“, so Fraktionssprecher Ralf Frühwirt. „Unsere Abhängigkeit von schmutzigen fossilen Brennstoffen wie Gas und Öl wird weiter heruntergefahren, wir machen unsere Infrastruktur dezentraler und resilienter und reduzieren zudem die untragbaren CO2-Emissionen unseres gegenwärtigen Energiesystems.

Transparenzhinweis: Der Vollständigkeit halber soll hier erwähnt werden, dass einer der 20 beteiligten Personen, die am Hohberg Flächen besitzen selbst sowohl in Angelbachtal wie auch im Rhein-Neckar-Kreistag in der Kommunalpolitik in den Reihen von Bündnis 90 / Die Grünen engagiert ist.

Stefan Geißler

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