Grüne Kreistagsfraktionen entlang des Neckars informieren über die Sachlage
Bedenkliche Werte an PFAS im Neckarwasser sind in den letzten Jahren gemessen worden; dies war der Anlass für die Veranstaltung am letzten Freitag in Eberbach, zu der die Grünen Kreistagsfraktionen entlang des Neckars aus dem Rhein-Neckar-Kreis, dem Neckar-Odenwald-Kreis und dem Landkreis Heilbronn eingeladen hatten. „Das hat Seltenheitswert, dass wir in dieser Konstellation Landkreis-übergreifend zusammenarbeiten“, meinte Fraktionssprecher Ralf Frühwirt aus dem Rhein-Neckar-Kreis zur Einleitung. „Aber das Thema geht uns als Neckar-Anrainer ja auch alle an.“
PFAS („Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen“) gehören zu einer Stoffklasse, die in der Industrie und in vielen uns im Alltag umgebenden Produkten Anwendung finden. So finden sich diese Stoffe heute in Kleidung, Kosmetika, Farben, Pestiziden, Löschschaum und an vielen anderen Stellen. Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Stabilität sind PFAS äußerst langlebig, können von natürlichen Prozessen oder Kläranlagen kaum herausgefiltert werden und reichern sich daher im Körper an. Selbst in der Milch von Eisbären kann PFAS inzwischen nachgewiesen werden.
Schülerinnen entwickeln bei „Jugend forscht“ Alterativen

Bevor an diesem Abend die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Podium das Wort erhielten, gab es zunächst einen Beitrag von Maria Zatykina, die mit ihren Mitschülerinnen vom Max-Born-Gymnasium in Neckargemünd unlängst eine Auszeichnung im regionalen „Jugend forscht“-Wettbewerb erhalten hatten: Die Gruppe hatte unter der Anleitung ihrer Chemielehrerin Dr. Nele Welter für eine bestimmte Verwendung von PFAS-Substanzen, namentlich zur Beschichtung von Pizzakartons, eine biologisch gut abbaubare Alternative entwickelt, die dennoch die benötigte Fettundurchlässigkeit bietet. Der jungen Nachwuchsforscherin wurde mit einem warmen Applaus und einem Buchgeschenk gedankt und der anwesende Staatssekretär Dr. Andre Baumann aus dem Stuttgarter Umweltministerium sah durchaus Potenzial für einen breiteren Einsatz der entwickelten Beschichtung.
Dann ging es aufs Podium, wo Dr. Ursula Schmollinger in das Thema PFAS aus medizinischer Sicht einführte. Die Ladenburger Kreisrätin ist selbst Ärztin und war, als die ersten Berichte über PFAS in Neckar die Runde machten, gleich hellhörig geworden, denn diese Stoffklasse wird mit einer ganzen Reihe von Gesundheitsgefahren bis hin zu Krebserkrankungen in Verbindung gebracht. Dr. Schmollinger betonte, dass es auch die Verbraucher:innen selbst ein Stück weit in der Hand hätten, Produkte, in denen PFAS enthalten sind, zu meiden, also beispielsweise statt Einmalbecher für Kaffee to Go zu nehmen, einen eigenen Becher dabei haben, PFAS freie Backfolien, keine Teflonpfannen stattdessen mit Emaille beschichtete Pfannen etc.. Oder beim Kauf von Kosmetika die ToxFoxApp des BUND einsetzen. Eine gute Informationsquelle ist auch die Verbraucherschutzzentrale Hamburg.
Gunter Haug, Journalist bei KONTEXT, hatte in mehreren Beiträgen über die Hintergründe der Belastung im Neckar berichtet. Über einen langen Zeitraum hatte die Firma Solvay in Bad Wimpfen ganz offiziell die Genehmigung, stündlich 12 Kilogramm der fraglichen Substanzen in den Neckar zu kippen. Er drückte in seinem Beitrag sein Unverständnis darüber aus, dass diese Praxis nicht längst illegal ist.
Strengere Regeln sind nötig
Der dritte Teilnehmer auf dem Podium, Umweltstaatssekretär Baumann hatte an diesem Abend die Rolle, der Adressat dieser Appelle, nicht nur von Haug, sondern auch aus dem Publikum zu sein. Baumann, selbst Biologe, Umweltschützer und langjähriger Landesvorsitzender des NABU, fiel die Aufgabe zu, zu erläutern, dass die Behörden Verbote nur auf der Grundlage von Gesetzen aussprechen könnten und die fehlten hier derzeit. Für PFAS gebe es Richtwerte, aber derzeit noch keine verbindlichen Grenzwerte. Er versicherte der anwesenden Zuhörerschaft, er und sein Haus setzten sich nachdrücklich dafür ein, dass die Einbringung von gesundheitsgefährdenden Substanzen in die Umwelt stetig weiter zurückgefahren wird. Gerade auch die europäische REACH-Verordnung über den Umgang mit Chemikalien könne hier ein Hebel sein. „Die Substanzen wieder herauszufiltern und unschädlich zu machen, ist schwer genug. Daher wäre es besser, sie würden gar nicht erst anfallen. Das ist unser Ziel.“
Das Beispiel der eingangs erwähnten biologisch abbaubaren Kartonbeschichtung zeigt, dass oftmals für bislang angebliche „unverzichtbare“ Einsatzzwecke durchaus ungefährliche Alternativen möglich sind und selbst findige Schülerinnen auf diese Lösungen kommen können. Einigkeit bestand abschließend auf dem Podium darüber, dass die Information der Öffentlichkeit und der daraus entstehende Druck auf die Politik wichtig für Fortschritte auf diesem Gebiet seien.