Wofür in Deutschland Flächen verwendet werden. (Spoiler: Es sind ganz sicher nicht in erster Linie die erneuerbaren Energien!)
In der Diskussion rund um die Erneuerbaren Energien wird oft rasch die Sorge um die dafür nötigen Flächen geäußert. Und es ist ja in der Tat richtig: Um uns ausreichend mit sauberer Energie aus Wind und Sonne zu versorgen, müssen die Anlagen irgendwo stehen. Und da wir in Deutschland keine Brachen oder gar Wüsten haben wie in anderen Ländern dieser Erde, muss überall wo man sich für eine Nutzung entscheidet, eine andere Nutzung zurückstehen.
Nun ehrt es jeden und jede, die sich hier Sorgen gerade um den Wald macht: Gerade in Süddeutschland bedeutet Windenergienutzung oft, dass man damit in Waldflächen gehen muss, weil oben auf den meist bewaldeten Hügel ausreichend Wind weht, in der Ebene oft dagegen nicht.
Um diese Diskussion zu versachlichen, kann es sinnvoll sein, sich zunächst zu verdeutlichen, wofür in in welchem Maße in Deutschland Fläche für die jeweiligen Zwecke belegt werden. Eine solche Aufstellung hat unlängst der Geograph Christian Victor erstellt. (siehe Karte oben).
Anteilig und zu zusammenhängen Flächen zusammengefasst, sind hier die jeweiligen Themen ersichtlich: Man sieht, wieviele Flächen in Deutschland aus Wald, Siedlungs- oder Verkehrsfläche und so weiter bestehen. Drastisch fällt die große Fläche für „Viehfutter“ ins Auge, die uns verdeutlicht, welchen Druck auch unsere gegenwärtige Lebens- und Ernährungsart auf die Flächen und die Natur in Deutschland ausübt. Auch „Energiepflanzen“, also der Anbau von Mais, Raps und ähnlichem, belegt eine Fläche, die einem mittleren Bundesland entspricht, obwohl man auf einem Hektar Freiflächen-PV ein Vielfaches der Energie erzeugen kann, die man aus Pflanzen gewinnen kann (und dann unter den PV-Modulen immer noch Landwirtschaft betreiben könnte, oder Blühwiesen sprießen lassen könnte.)
Spannend wird es, wenn man in der obigen Grafik die kleineren Flächen durchgeht: „Weihnachtsbäume“ oder „Golfplätze“ sind ebenfalls ausgewiesen. Und dann gibt es dieses kleine Eckchen, das mit „Windkraftanlagen“ gekennzeichnet ist. Das ist die Fläche, die die 30000 derzeit in Deutschland stehenden Anlagen für Windnutzung belegen und die inzwischen als „Arbeitspferd der Energiewende“ einen immer größeren Teil unseres Strombedarfs decken.
Klar ist: Jeder Baum ist kostbar, um jedem Baum der gefällt wird, ist es schade. Die noch bestehenden Naturflächen in Deutschland sind massiv unter Druck: Durch unseren Bedarf an Straßen, an Siedlungsfläche, an Holzeinschlag und unseren Bedarf an Viehfutter. Die Windenergie, die eine der zentralen Säulen der Energiewende und hin zu einer sauberen, nachhaltigen Energieversorgung darstellen, spielt in diesem Konzert allerdings nur eine minimale Rolle.
Bei der Planung von Windprojekten finden detaillierte Abwägungen statt: Welche Eingriffe in die Umgebung sind zulässig, wie können diese minimiert oder ausgeglichen werden? Für uns alle, die sich um den Schutz unserer Umwelt und unserer natürlichen Lebensgrundlagen Sorgen machen, sollte in mindestens derselben Intensität das Augenmerk auch auf die anderen Bereiche gelegt werden: Braucht es dieses Neubaugebiet, jene Straße wirklich? Ist es alternativlos, dass in Deutschland der Anbau von Viehfutter eine Fläche belegt, die in etwa der Fläche Bayerns entspricht? Und wie kommt es, dass die Aufstellung von Windenergieanlagen aus vorgeblicher Sorge um unsere Flächen von manchen derart kritisch gesehen wird (obwohl sie doch einen Gutteil unseres Stroms sichern), während sogar die Flächen für Golfplätze in Deutschland nach unserer Beobachtung praktisch nie in derselben Weise kritisch thematisiert werden?