Nachgezählt: Energiewende in der Region Rhein-Neckar auch in 2022 weiter mit massivem Rückstand

Gerade unsere Region Rhein-Neckar rangiert bei der Energiewende bislang im Landesvergleich immer noch weit unten in der Tabelle, wie unsere Auswertung (<- link zum PDF) der Zahlen des Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur zeigt.

Sowohl bei der installierten EE-Leistung pro Einwohner (links) als auch bei der Gesamtleistung an Windenergie (rechts) stehen wir bislang im Landkreis eher am Ende der Tabellen. Das muss sich ändern.

Die Energiewende und der rasche Umstieg auf die Erneuerbaren Energien sind die vielleicht wichtigste Politikfelder unserer Tage. Neben den seit Jahrzehnten unbestreitbaren ökologischen Notwendigkeiten für das Umsteuern hat sich jüngst auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass unser Land schon alleine aus sicherheitspolitischen Gründen seine Abhängigkeit von den schmutzigen, fossilen Energien despotischer, kriegführender Regime reduzieren muss – Stichwort Ukrainekrieg.

Zahlen bitte!

Um aber die Fortschritte bei der Energiewende faktenbasiert und aktuell verfolgen und bewerten zu können, braucht es für Entscheider:innen und die Bevölkerung Zahlen: Wo stehen wir, wo geht es bereits gut voran, wo stimmt das Tempo noch nicht? Bei einer solchen Abschätzung zeigt sich leider, die Region Rhein-Neckar bleibt weit hinter dem Landesschnitt zurück und hat hier ihre Hausaufgaben bislang nicht gemacht: Gerade bei der entscheidenden tragenden Säule der Energiewende, der Windenergie, steht der Rhein-Neckar-Kreis bislang ganz am Ende aller Flächenlandkreise im Land! Die installierte Leistung beim Wind im Landkreis entspricht derzeit etwa der von fünf Tauchsiedern. Angesichts der Menschheitsaufgabe, mit der Energiewende den desaströsen Klimawandel zu verlangsamen, ist diese Herangehensweise fahrlässig und nicht hinnehmbar: Deutschland hat sich 2015 mit dem Pariser Abkommen verpflichtend dazu entschieden, seinen Teil zur Eindämmung der Klimakrise beizutragen. Auch der Rhein-Neckar-Kreis bekennt sich ausdrücklich zum Pariser Abkommen, ist aber in den sieben Jahren seit dessen Verabschiedung bestenfalls in Trippelschritten vorangekommen: Die gesamte Region – Landkreis und Kreisgemeinden – hat es dabei bislang weitestgehend versäumt, einen eigenen, fairen Anteil an den anstehenden Aufgaben beizusteuern.

Die Ladehemmung bei diesem wichtigen Thema überrascht: Der Rhein-Neckar-Kreis ist bei vielen anderen Themen ein professionell organisiertes, gut aufgestelltes Gemeinwesen: Ob bei Bildung, Verkehr, Gesundheit oder Wirtschaftsentwicklung: Der Landkreis ist ein Powerhouse und gehört zu den Boom-Regionen im Land: innovativ, lebenswert, auf der Höhe der Zeit. Der Verantwortung den kommenden Generationen gegenüber mag man anscheinend dennoch nicht mit dem demselben Nachdruck nachkommen. Bei den Erneuerbaren Energien insgesamt liegt der Landkreis um eine ganze Größenordnung (Faktor 10) hinter den aktiveren Regionen im Land, bei der Windenergie ist der Faktor gar mehr als 10000, der uns vom oberen Ende der Tabelle trennt.

Alle Beteiligten sind nun gefragt!

Als Teil der politischen Landschaft im Kreis fallen uns Grünen diese Zeilen nicht leicht, aber es muss festgestellt werden, bislang haben alle politisch Verantwortlichen in der Region bei diesem Thema ihre Verantwortung bei weitem nicht ausreichend wahrgenommen. Leider verleitet die Beobachtung, dass der Begriff „Klima“ inzwischen inflationär in Pressemeldungen und Strategiepapieren verwendet wird, zu der irrtümliche Annahme, bei diesem Thema werde doch längst ausreichend viel getan. Die hier vorliegende Auswertung zeigt: Dies ist leider hier bei uns in der Region schlicht noch nicht der Fall, im Gegenteil. Dabei zeigen die Vorreiterregionen längst, dass die Energiewende nicht nur umweltpolitisch alternativlos ist, sondern auch finanziell das Potenzial hat, Mittel im erheblichem Umfang zu generieren, die die öffentlichen Haushalte entlasten. Mittel, auf die manche im reichen Rhein-Neckar-Kreis anscheinend meinen, verzichten zu können und damit die Energiewende in die Sonntagsreden verschieben.

Klar ist: Nicht überall quer durchs Land liegen dieselben Voraussetzungen für eine lokale Energiewende vor: Mancherorts bläst der Wind mehr, anderswo weniger; manche Landstriche sind dichter besiedelt, andere haben mehr geeignete Flächen. Im Ergebnis gelingt es heute schon manchen Regionen, sich quasi selbst mit Energie zu versorgen oder gar Überschüsse zu generieren, andere werden diesen Grad der Autarkie vielleicht nie erreichen können. Dass Energiewende-Ergebnisse sich daher signifikant von Region zu Region unterscheiden, ist erwartbar. Aber nicht um den Faktor von 10000 und mehr! Derartige Unterschiede sind wohl eher Ausdruck bewusster Entscheidungen, die man hinterfragen und kritisieren muss.

Im beiliegenden Text beschreiben wir die durchgeführte Auswertung der Zahlen aus dem Marktstammdatenregister und die dabei ermittelten Ergebnisse. Bislang standen für die Ermittlung des Status Quo zum Thema Energiewende aufbereitete offizielle Zahlen des Statistischen Landesamtes zur Verfügung. Seit 2018 jedoch gibt es diese Zahlen nicht mehr in derselben Form – bei Bewertung und Planung der Energiewende befanden sich Politik und Öffentlichkeit seither quasi im Blindflug (man stelle sich vor, zum Thema Coronakrise hätte es Zahlen zum Verlauf von Infektionen, Impfungen und Todesfällen gar nicht oder erst mit Jahren Verzögerung gegeben!). Durch die Auswertung der Daten des Marktstammdatenregisters jedoch kann diese Lücke geschlossen werden. Für die Region Rhein-Neckar mit einem überaus unzufriedenstellenden Bild als Ergebnis. Es ist zu hoffen, dass die Landesbehörden umgehend die lange übliche Praxis der öffentlichen Aufbereitung derartiger Zahlen wieder aufnehmen, so dass es Initiativen wie die unsere hier nicht mehr braucht.

Fazit: Weltweit und auch in Deutschland ist man längst noch nicht auf Kurs, das nötige und mögliche gegen die ungebremst fortschreitende Klimakrise zu tun. Unsere Heimatregion Rhein-Neckar jedoch bleibt leider nochmal weit hinter diesen ohnehin schon unzureichenden Zahlen zurück. Dies nun in den kommenden Monaten und Jahren mit höchstem Nachdruck zu drehen muss zentrales Anliegen aller Akteure sein.

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